Pressestimmen

Süddeutsche Zeitung, 02.01.2012

Andrea Hermenau spielt in der Unterfahrt - ein Porträt

 

 "Für Münchner Jazz-Freunde ist Andrea Hermenau kein neues Gesicht mehr. Die Pianistin, Sängerin und Percussionistin ist seit Jahren vor allem mit dem Quartett Etna, in den diversen Formationen von Harald Rüschenbaum, bei Rudolf Roths Drum For Your Life sowie zuletzt mit Jerker Kluges Deep Jazz und beim Fjoralba Turku Quartet präsent. Ihre erste eigene Band geht aber erst jetzt an den Start: Am morgigen Dienstag ist das Andrea Hermenau Quartet in der Unterfahrt zum ersten Mal auf der Bühne zu sehen. Nicht dass es ihr, die stets so gar nicht divenhaft, sondern fast unauffällig auftritt, an Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein gefehlt hätte. Es liegt vielmehr an ihrer Gewissenhaftigkeit: "Es war mit total wichtig, dass mein erstes eigenes Projekt organisch gewachsen ist und ich genau die Musik spiele, die ich wirklich machen will." Und da diese Klangvorstellung ziemlich komplex ist, fand sie sich erst jetzt gerüstet für das Verweben klassischer, jazziger wie pop-melodischer Elemente, für einen ebenso eingängigen wie spannenden Verbund von rhythmischer Extravaganz mit Klangfarbenmalerei und geradlinigem Gesang.

 

Die Basis für Hermenaus Breitband-Jazz wurde bereits in der Kindheit gelegt. Ihr Vater, ein bildender Künstler, experimentierte auch gern an Keyboards und Synthesizern, er hatte sogar eine Freejazz-Band namens Die schmutzigen Tonköpfe, bei der Hermenaus Mutter E-Bass spielte. "Ich habe vom dritten Lebensjahr an selbst an den Keyboards herumgespielt", erinnert sich Hermenau. Kam hinzu, dass sie bald merkte, dass sie eine Synästhetikerin ist: Töne, Farben und Zahlen hängen bei ihr assoziativ zusammen. "Insofern waren auch die Bilder meines Vaters ein großer Einfluss." Der schickte seine Tochter außerdem zeitig zum Klavier- und Musikunterricht.

 

Glück hatte sie auch mit ihrem Gymnasium am Tegernsee: "Das hatte zu meiner Zeit eine wahnsinnig musikalische Phase, ich machte bei 4 Musicals. der erstklassigen Bigband und mehreren anderen Ensembles mit." Und so war schon vor dem Abitur klar, dass sie es mit der Musik als Beruf probieren würde. Unerwartet schnell ergab sich eine Möglichkeit: Hermenau gewann einen Wettbewerb der Zeitschrift Keyboard und durfte ein Stück in Nashville aufnehmen. Ein dortiger Produzent wollte sie nach Frankreich mitnehmen und im Pop "groß herausbringen". Doch Hermenau lehnte ab: "Ich wollte keine Marionette sein, sondern mein eigenes Projekt machen."

 

Also besuchte sie den Aufbaukurs am Freien Musikzentrum, schaffte die Aufnahmeprüfung am Richard-Strauss-Konservatorium und studierte von 2001 an Jazzpiano bei Tizian Jost und Jazzgesang bei Karren Edwards und Lisa Wahlandt. Sie hatte aber kaum angefangen, da gewann sie schon zusammen mit dem Quartett Etna den Landeswettbewerb von "Jugend jazzt" und kam so ins von Harald Rüschenbaum geleitete Landesjugendjazzorchester. Ein paar Bausteine fehlten ihr trotzdem noch: Hinter die letzten Geheimnisse der Rhythmik kam sie zum einen mit einer dreijährigen Tätigkeit als Perkussionistin am Residenztheater, zum anderen durch die Beschäftigung mit südosteuropäischer Musik, nicht zuletzt inspiriert durch ihren Mann Ernest Mujkic und ihre bosnischen Schwiegereltern. Und schließlich setzte sie von 2008 bis 2010 noch ein Kompositionsstudium in Dresden bei Thomas Zoller drauf. "Komposition, Rhythmik und Gesang spielen in meinem Quartett auch eine viel wichtigere Rolle als früher", sagt sie, und. "Ich habe immer den für mich leichteren Weg bevorzugt und Sachen aufgegeben, von denen ich meinte, da geht es nicht weiter."

 

Ganz leicht kam sie auch zu ihrer Band. Mit Bassist Peter Cudek spielt sie seit jeher bei Harald Rüschenbaum, "er war die treibende Kraft, es jetzt zu versuchen." Saxophonist Till Martin kristallisierte sich ebenfalls früh wegen seines Faibles fürs Minimalistische und seiner hohen Kunst, eine Gesangsstimme zu begleiten, als Idealbesetzung heraus. Tim Collins schließlich kam an den Schlagzeugpart, weil er auch noch Vibraphonist und daher ein überaus melodischer Drummer ist: Man darf also durchaus mit hohen Erwartungen in die Unterfahrt pilgern."

Oliver Hochkeppel

 

Internetzeitung von "KulturVision e.V.", 16.05.2012

Poetic Jazz mit dem Andrea Hermenau Quartet

 

"Eine traumhafte Symbiose aus Jazz und Poesie bot das neu formierte Andrea Hermenau Quartet dem begeisterten Publikum im Holzkirchner Fools Theater.  Ein vokales und instrumentales Feuerwerk über einem Meer von Synkopen!

(...) In Till Martin am Tenorsaxophon, Peter Cudek am Kontrabass und Tim Collins am Schlagzeug und Vibraphon hat die studierte Jazz-Komponistin, -Pianistin und –Sängerin absolute Größen des Genres und kongeniale Partner um sich geschart.

„Wir spielen heute ausschließlich Eigenkompositionen und Eigenbearbeitungen“, so die „Chefin“, die mit wenigen bestimmten Augen- und Kopfbewegungen das Quartett zu einem homogenen Klangkörper zusammenschnürte. So spielte es komplexe und gegenläufige Rhythmen mit einer Leichtigkeit, als ob es nicht anders ginge. „Lagrimas“, „Hermelin“, „Orpheus“, „Tauwetter“, „Hossa“, „Nachtpracht“ – Die Titel klingen schon für sich alleine.

„Time it is“ und „Time between“ heißen zwei Stücke aus der Serie „Zeit und Liebe“ mit all ihrer Ambivalenz und Mehrdeutigkeit, ihren Höhen und Tiefen, ihrer Freude und ihrer Trauer. Und neben einigen eher klassischen Jazz-Instrumentalstücken gibt es noch eine dritte Programmschiene: Andrea Hermenau verjazzte „Svedalinkas“, bosnisches Volksmusikgut. Sie singt in Bosnisch und ihre einzigartige Stimme ist geradezu prädestiniert für die Interpretation dieser melancholischen und sentimentalen Liebeslyrik, „aber leider kriegen sich die zwei fast nie“. Ihr Pianospiel ist virtuos und sensibel, mal zupackend, mal zärtlich, federleicht und bedeutungsschwer.
Ihre Kompositionen zeichnen sich aus durch ein souveränes und verspieltes Navigieren in der komplexen rhythmischen Welt, im „synkopischen Meer“. Die farbigen Harmonien und geschmeidig-groovigen Melodien sind stets angereichert mit dieser Extraportion Poesie – „Poetic Jazz“ eben. Elemente aus Klassik und Pop sind nicht nur nicht zufällig, sondern durchaus beabsichtigt und erwünscht.

Und dann die Band-Kollegen: Fulminante Soli zuhauf, meisterhaftes Beherrschen der Arbeitsgeräte als Solo-, Begleit- und Rhythmusinstrument. Cudek möchte manchmal förmlich in seinen Bass hineinkriechen, um noch inniger mit ihm zu verschmelzen und noch mehr aus ihm herauszuholen. Martin zeigt seine hohe Meisterschaft auch darin, dass er Hermenaus Gesang auf dem Saxophon unnachahmlich einfühlsam begleitet. Collins springt zwischen Schlagzeug und Vibraphon hin und her und brilliert darauf mit einem Solo in federnder Schwerelosigkeit. Ihre individuelle Klasse befähigt sie zu absolut kongruentem Zusammenspiel.

Mit der Zugabe „Gelbe Quitten aus Istanbul“ wird das Publikum für den begeisterten Applaus belohnt. Aber mit dem Kopfnicken, dem Fingerkuppenklopfen und dem Fußspitzenwippen ist es jetzt leider vorbei. Und meine Nachbarin zur Linken kann zum allerletzten Mal sagen: „Super!"
Reinhold Schmid

 

Allgäuer Zeitung

"Andrea Hermenau lotet das Jazzpiano aus zwischen sensitiver Lyrik, minimalistischer Motorik und zupackender innovativer Tastenlust.
Dabei zeigt sie ihr künstlerisches Gespür für Eleganz und traumhaften Groove."

Süddeutsche Zeitung

"Das größte Kompliment verdient das gruppendynamische Ergebnis der Qualität von Etna, eines, das entscheidend und rar ist: der eigene Ton. Natürlich spielen bei Etna viele Einflüsse eine Rolle, vom Modern Jazz bis zum Funk, von dynamischen Motiven aus der Esbjörn-Svensson-Ecke bis zu den Sounds etwa eines Pat Metheny. Doch aus allem machen diese Vier etwas Eigenes, was umso schwieriger ist, weil ihre Stücke keine Kopfgeburten , sondern stets melodiebetont und eingängig sind. Etna ist in der Tat ein musikalischer Vulkan."